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Eine solche Kreuzigung des Denkens ist eine typisch rosenkreuzerische Figur. Das Niedere – nämlich das alltägliche Denken – wird gehemmt, um die höhere Fähigkeit der Imagination erblühen zu lassen. Der Taro liegt hier ganz auf der Linie des Buches „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“, das Rudolf Steiner auch als „rosenkreuzerisches System“ bezeichnet hat:
„Zu betonen ist, dass der Geheimforscher sich nicht in ein Nachsinnen verlieren soll, was dieses oder jenes Ding bedeutet. Durch solche Verstandesarbeit bringt er sich nur von dem rechten Wege ab. […] Was die Dinge bedeuten, das soll nicht er mit spekulierendem Verstande ausmachen wollen, sondern er soll es sich von den Dingen selbst sagen lassen“ (GA 10, S. 46-47).
Hier ist es nun notwendig anzuerkennen, dass die „Dinge selbst“ nicht die Inhalte von Sinneswahrnehmungen, sondern geistige Wahrheiten jenseits der Schwelle sind. „Verstandesarbeit“ bezieht sich immer auf positive Inhalte diesseits der Schwelle, die „Dinge selbst“ beginnen aber erst zu sprechen, wenn das Bewusstsein sich von allen diesseitigen Inhalten frei gemacht hat. Rudolf Steiner spricht in diesem Zitat also in abstrakteren Worten ebenfalls von der Kreuzigung des Denkens.
Die Bilder und Erläuterungen des Taro sind daher keine Lehren, die es zu lernen, zu bezeugen oder zu zitieren gilt, sondern der Organismus der 22 Arcana bietet eine Führung unmittelbar zu den rosenkreuzerischen Quellen der Weisheit selbst. Tomberg schreibt:
„Die Symbole sind also keine Instrumente des Gedankens, sondern vielmehr seine Führer und seine aktiven Meister, ganz wie das ‚Symbol des Glaubens’, das christliche Credo, kein Instrument des Gedankens ist, sondern vielmehr eine Sternenkonstellation hoch über dem Haupte“ (16. Brief, „Das Gott-Haus“; Meditationen über die Großen Arcana des Taro, Meisenheim am Glan 1972, S. 363).
Wozu führt den Schüler die „Sternenkonstellation der Arcana“? Indem der Astralleib so gestaltet wird, dass er „sonnenkompatibel“ wird, kann der Astralleib das Sonnenhafte des Menschen in sich aufnehmen. Und weil das dem Menschen zunächst am nächsten liegende Sonnenhafte sein höheres Ich ist, harmonisiert sich durch die Führung der Sternenkonstellation der Arcana das „obere“ und das „untere“ Ich. Wie durch zwei Augen lernt der Mensch die Analogie der Eindrücke seines unteren im Zusammenhang mit seinem höheren Ich zu betrachten. Dieser Zusammenhang kann jedoch nur durch einen – zumindest teilweise – geläuterten Astralleib hergestellt werden, in den sich das höhere Ich abdrücken kann. Und für das angemessene Verhältnis von oben und unten gibt es ein Ideal, das einst den Menschen vorgelebt wurde. Nachdem sich der Mensch so geläutert hat, dass er einen Bezug zu seinem höheren Ich errungen hat, kann er über eben diesen neuen Bezugspunkt Teil des hermetischen Stromes werden. Was nun über diesen höheren Standpunkt zu ihm fließt, kann er in der Geste der Fußwaschung in den Dienst der Situationen stellen, die ihm im Leben begegnen.
Und wie der Schüler des Hermetismus innerlich die rechte Haltung zum hermetischen Strom finden und einnehmen soll, indem er beispielsweise demutsvoll sein Denken durch dessen Kreuzigung alchemistisch transformiert, so muss der Schüler auch äußerlich das rechte Verhältnis zu den Ereignissen seines Lebens finden. Auch hier findet sich als Vorbild und Maßstab die Passionsstufe der Fußwaschung mit ihren Intensivierungen bis hin zur Kreuzigung und weiter. Der moderne Hermetismus leitet den Schüler in dieser Weise, um am Licht und der Wärme der erhabenen Ich-bin-Wesenheit teilzuhaben. Und nur wer dieser Führung auch folgt, wird tatsächlich im Hermetismus etwas Wertvolles finden: