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Es ist sehr wichtig zu sehen, dass die Ereignisse des äußeren Lebens ebenso Bestandteil der Schule des Hermetismus sind wie die Vermittlungsplattform der Arcana. Im genannten Beispiel ist leicht ersichtlich, dass der Schüler seine Mängel der Konzentration im Leben so lange vorgeführt bekommt, bis er sie behoben hat. Wenn der Schüler nun denken würde, dass ihn die Kritik seiner Konzentrationsfähigkeit nicht treffen kann, weil er doch ein „solch erhabener Hermetiker“ ist, dann wird er mehr und mehr zu einem „absonderlichen Scharlatan“. Wenn jedoch auch die Schule des äußeren Lebens mit in den Weg einbezogen wird, besteht in der Schule des Lebens eine zuverlässige Stütze, welche den Schüler zum Ziel leitet.
Mit diesen Erläuterungen ist der oben zitierte Satz (siehe S. 17) gar nicht mehr so geheimnisvoll wie er zunächst vielleicht erschien: Die Großen Arcana des Taro sind echte Symbole, weil der Schüler selbst die Formen und Gestaltungen der Arcana einnimmt, und weil er durch sie und anhand von ihnen die Anregung und Führung der Gemeinschaft der Geister erhält. Und die Arcana verbergen und enthüllen gleichzeitig, je nach der Tiefe der Sammlung des Meditierenden, weil dem Schüler je nach seiner Konstitution verschiedene Aspekte klar werden und andere Aspekte verborgen bleiben. Es enthüllt sich immer nur eine von vielen möglichen Bedeutungen. So entsteht die geniale Flexibilität des Organismus des Taro.
Wenn ein Schüler des Hermetismus auf diese Weise über einen ausreichend langen Zeitraum hinweg mit verschiedenen Arcana lebt, dann gestaltet und läutert er seinen Astralleib in einer bestimmten Weise. Die zweiundzwanzig Arcana bilden hierbei mit einer gewissen Notwendigkeit eine organische, systematische Einheit. Im zwölften Brief erläutert Valentin Tomberg die Zahl 22, wobei sie sich aus der „Summe der Zahlen der Wirklichkeit“ – nämlich eins, drei, sieben und zwölf – zusammensetzt, welche zweiundzwanzig ergibt, wenn man die eins als übergeordnete, die anderen Zahlen umfassende Einheit auffasst. Die Zwölf entspricht hierbei beispielsweise dem makrokosmischen Aspekt des Tierkreises, während die Sieben den menschlichen sieben Chakren zugeordnet werden kann. In allem spiegelt sich jedoch in vielfältiger Weise die ursprüngliche Trinität, und alles wird durch die allumfassende Einheit verbunden, die nicht neben der Vielfalt besteht, sondern diese beinhaltet.
Die zweiundzwanzig Arcana sind aber keine „formallogische Reihe“ oder „mathematische Summe“, sondern die organische Einheit der Arcana enthält auch allerhand Querverweise, Rhythmen, Spiegelungen, innere Spannungsverhältnisse, Warnungen und auch degenerative Aspekte. Durch das Erleben der Arcana und das immer tiefere Befragen der Zusammenhänge, die sie dem Suchenden vermitteln, wird dieser immer wieder „beunruhigt“ und zu immer neuen Tiefen geführt. Die Arcana sind deswegen keine Sammlung „auf Hochglanz polierter starrer Zusammenhänge“, sondern ein äußerst vielschichtiges, bewegliches und aus Gegensätzen bestehendes – und damit lebensvolles – Geflecht.
III. Die Erfahrung bewussten Lebens
Die Umwandlung des Denkens ist auf dem hermetischen Schulungsweg natürlich ein wichtiger Punkt, weil sich im Denken Keime zu Handlungen finden. Entscheidend ist hierbei zwar auch das Entfalten des (meditativen) Nachdenkens über die Erläuterungen zu den Arcana, viel wichtiger ist aber die alchemistische Transformation des Denkens selbst durch dessen Kreuzigung. Die Bilder und Erläuterungen führen das Denken zu bestimmten Inhalten und auf diese soll es sich konzentrieren. Die Tätigkeit des Denkens wird also in der Konzentration gehemmt, um durch diese Hemmung das Höhere – nämlich die Fähigkeit der Imagination – zu ermöglichen. Dieses Opfer des Denkens führt zu der Fähigkeit des „Übe Geisterschauen in Gedankenruhe“, wie es in der dritten Strophe der so genannten Grundsteinmeditation von Rudolf Steiner heißt. Durch die Ruhe – also die Hemmung der Eigenbewegung – wird das Innenleben des Schülers in die Lage geführt, die „Bewegungen der Wahrheit“ in sich aufzunehmen. Nachdem das Denken leer geworden ist – der Eigenintellekt also geopfert wurde – kann der Schüler als Bettler um Geist am lebenden, hermetischen Gedankenstrom und dessen weisheitsvoller Führung teilnehmen.