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Als Voraussetzung und erster Schritt zum Herstellen einer klaren und lebendigen Beziehung zu den Arcana – und diese „klare und lebendige Beziehung“ ist wiederum die Voraussetzung für ein wahrhaftes Verständnis der Arcana – wird im Brief zum ersten Arcanum „Der Gaukler“ Konzentration ohne Anstrengung genannt. Konzentration ist Ruhe; und Ruhe entsteht, wenn die willkürlichen seelisch-astralischen Bewegungen von Denken, Fühlen und Wollen schweigen. Der endlose „Affentanz“ unserer Gedanken- und Gefühlsbewegungen muss wenigstens innerhalb eines beschränkten inneren Bereichs für einen bestimmten Zeitraum innehalten. In diesem Leerraum entsteht wahrhafte Freiheit, weil wir in diesem Raum nicht der „instinktiven Willkür“ ausgeliefert sind, sondern diesen Freiraum bewusst und aktiv gestalten können. Wenn von Konzentration gesprochen wird, ist angedeutet, dass diese Ruhe von den Gedanken ausgeht, die der Schüler zunächst am leichtesten unter Kontrolle bringen kann. Und wenn sich diese Ruhe im Körper ausbreitet, d.h. wenn sie den Hals hinunter über Brust und Herz in den Körper strömt, gleicht diese Bewegung einem Trinken der inneren Ruhe.
„Haben Sie schon manchmal Schweigen getrunken? Wenn Sie es bejahen können, wissen Sie, was Konzentration ohne Anstrengung ist“ (1. Brief, „Der Gaukler“, a.a.O., S. 7).
Dieser Raum innerer Ruhe ist der „erste Zipfel“ unseres Astralleibes, den wir durch unser Ich zur meditativen Arbeit ergreifen können; es ist der Raum, in dem sich uns die Arcana öffnen. Während der ersten Zeit der Übung wird ein solcher Raum innerer Freiheit nur so lange andauern wie wir uns Mühe geben, konzentriert zu bleiben. Im Laufe der Zeit stellt er sich immer leichter ein, bis er ein selbstverständlicher Teil von uns wird. Tibetische Mönche geben als Richtwert zum Erreichen einer solchen spontanen inneren Ruhe für einen fleißigen und begabten Schüler etwa zwei Jahre an.
In dem Maße, in dem die willkürlichen, inneren Bewegungen schweigen, sind wir selbstlos, weil diese Bewegungen innerhalb von diesem Raum keine Gewalt mehr über uns haben. Sobald ein Schüler also bewusst in der Lage ist, diesen Raum des Schweigens aktiv innerlich zu gestalten, ohne die Ruhe durch seine wieder aufgenommene Aktivität zu stören, wird seine Betrachtung der Arcana zu etwas anderem als es vorher war. Denn die Selbstlosigkeit seines Astralleibes ist die Grundlage, dass der Strebende bei der Betrachtung der Arcana diese nicht von seinem alltäglichen, subjektiven Standpunkt aus betrachtet, sondern sich bei der Auseinandersetzung ergreifen und verändern lässt. Erkennen heißt Zusammenfließen.
Die Schritte des Zusammenfließens hängen von den Fähigkeiten und Herangehensweisen des Schülers ab, sie könnten aber folgendermaßen ausschauen: Zunächst werden parallel zueinander die bildlichen Darstellungen und die sprachlichen Erläuterung der Arcana meditativ betrachtet und durchdacht. Der Schüler versucht hierbei nicht nur gedankliches Verständnis zu erarbeiten, sondern „ertastet“ auch, wie sich die Inhalte und die bildlichen Darstellungen anfühlen. Der Zusammenhang des Bildes in Kombination mit der fein verzweigten Sinnstruktur der Erläuterungen wird dem Übenden Schritt für Schritt gleichsam zu einem Wald, in dem er sich meditierend bewegt. Über Arcana nachdenken heißt nicht, Gedankenbilder zu puzzeln, sondern im Zustand innerer Ruhe durch den gefühlten Sinnzusammenhang streifen. Auf diese Weise entfaltet der Schüler innerlich seine Version des Arcanums und wenn er offen und „ein Bettler um Geist“ ist, wird er auf irgendeine Weise die Führung des Arcanums erleben. Er wird in seinem Astralleib selbst zu diesem Arcanum und nimmt eine bestimmte innere Geste ein, welche diese Führung ermöglicht. Der Strebende lernt so beispielsweise selbst als „Gaukler“ im Leben zu stehen: Indem sich der innere Raum spontaner meditativer Ruhe im Körper ausbreitet, kann beispielsweise erlebt werden, wie alle Taten tatsächlich nicht durch den Handelnden selbst getragen werden müssen, sondern von der „Gravitation von oben“ mitgetragen werden. Der Schüler erlebt so beispielsweise die Leichtigkeit, mit der er als „Gaukler“ alle Taten vollbringt. Und die Resultate seiner Handlungen im Leben werden ihn lehren, wie gut seine Konzentration beschaffen ist, und ob er demnach eher ein „Scharlatan“ oder ein „Gaukler im erhabenen Sinne“ ist. Wenn im Laufe der Zeit dann immer mehr Arcana auf diese Weise für den Schüler spontan lebendig werden, wird ihn die Konstellation der Arcana immer umfassender leiten können.